Das Wattenmeer
Das Wattenmeer ist mehr als nur ein Meer. Seit 1986 ist es als Nationalpark geschützt und hat heute eine Größe von rund 3.450 km². Mehr noch: Seit 2009 ist das Wattenmeer UNESCO-Weltnaturerbe und damit die erste Naturlandschaft in Deutschland, die es auf die Liste der Weltnaturerbestätten geschafft hat und gleichzeitig sogar UNESCO-Biosphärenreservat ist. Sein außergewöhnlicher universeller Wert darin besteht, dass es das weltweit größte zusammenhängende Gezeitengebiet ist, in dem die natürlichen Prozesse weitestgehend ungestört ablaufen. Es erstreckt sich auf einer Länge von ca. 500 Kilometern entlang der niederländischen, deutschen und dänischen Küste und ist seiner Größe einzigartig.
Die Landschaft mit ihren Prielen, Salzwiesen und Schlickflächen befindet sich in einem fortlaufenden Wandel. Und dabei kann man sogar zusehen. Verantwortlich dafür ist der Wechsel der Gezeiten: ca. alle sechs Stunden läuft das Wasser auf (Flut) und wieder ab (Ebbe). Bei Ebbe lässt es sich bei Wattwanderungen trockenen Fußes erkunden, wo Krebse, Muscheln, Wattwürmer und Co. ihre Heimat haben. Insgesamt leben über 10.000 verschiedene Tier- und Pflanzenarten im Wattenmeer.
Schon mal von den Big Five gehört? Die gibt es hier natürlich auch. Die Small Five des Wattenmeeres auch. Und die Flying-Five.
Als Nahrungsgrundlage für Vögel und Fische wird das Wattenmeer nicht umsonst als Kinderstube der Nordseefische bezeichnet. Das einzigartige Angebot der Region wird auf geführten Wattwanderungen mit zertifizierten Nationalpark-Guides erlebbar gemacht. Dabei werden kleine Touren für Familien, schwierige Touren durch tiefe Priele (das sind Wasserläufe, wo das Wasser bei Ebbe abläuft) oder sogar Touren bis hin zu den Inseln angeboten.
Im Herbst und Frühjahr dagegen sollte man nach oben schauen und die beeindruckenden Flugmanöver der Zugvögel beobachten. Denn mehr als zwölf Millionen Zugvögel (Gänse und Co.) passieren das Wattenmeer in diesen Zeiten und wissen, dabei gut auszusehen. Dafür gibt es sogar ein eigenes Event: die Zugvogeltage im Herbst. Hier sind viele der mehr als 400 verschiedenen Vogelarten im Nationalpark Wattenmeer zu sehen.
Bei Flut lässt sich vom Kutter aus beobachten, wie die Seehunde ihre verdiente Pause vom Fischen auf den Sandbänken einlegen. Mit etwas Glück sind auch weitere Meeressäuger, wie die Kegelrobbe oder Schweinswale, zu sehen. 8.723 Seehunde lebten im Jahr 2022 im Niedersächsischen und Hamburgischen Nationalpark Wattenmeer. Die kleinsten Seehunde werden auch Heuler genannt. In der stürmischen Zeit kommt es vor, dass sich Tiere verletzen und aufgepäppelt werden müssen, um sie schließlich wieder auszuwildern. Das passiert in Norddeich, der Seehundstation, in der Seehunde hautnah erlebt werden können.
Erlebbar ist das Wattenmeer auch in seinen überdachten Einrichtungen, zum Beispiel bei Schlechtwetter: Es gibt drei Wattenmeer-Besucherzentren, 14 Nationalpark-Häuser und eine Nationalpark-Erlebnisstation in der Nordsee-Region, die mit Ausstellungen, Führungen und Vorträgen über das besondere und vor allem verletzliche Wattenmeer informieren.
Dark-Sky-Erlebnisse:
Wer weiß denn sowas? Einige Orte in der Wattenmeer-Region können nachts so dunkel sein, dass sogar die Milchstraße zu erkennen ist! Einen derart freien Blick gibt es nur sehr selten auf der Erde. So atemberaubend schön kann Dunkelheit sein. Übrigens: Auf der Ostfriesischen Insel Spiekeroog wurde einer der dunkelsten Himmel über Deutschland gemessen. Mit einem Angebot an geführten Nachtexkursionen auf verschiedenen Wanderrouten wurde erreicht, Spiekeroog als Sterneninsel anerkennen zu lassen (Dark Sky Association IDA). Dafür wurde eigens die öffentliche Beleuchtung angepasst.
Wattenmeer-Kulinarik:
Die salzhaltige Luft in Kombination mit fruchtbarem Marschböden sorgt für die besten Voraussetzungen für das Gedeihen regionaler Produkte. Neben frischen Krabben und köstlichem Fisch, wie Scholle und Hering oder Austern und Muscheln, sind aber auch Schinken, frische Milch und Milchprodukte oder auch Deichlamm (davon gibt es sogar eine Bratwurst: die Biosphären-Bratwurst) nur einige der Highlights der Wattenmeer-Region. Den Ostfriesentee nicht zu vergessen! Zu den Klassikern der Region gehören außerdem Grünkohl und Röhrkohl oder Labskaus. Ach ja, eine Spezialität aus Sanddornbeeren lässt sich in vielen Formen lieben lernen: Saft, Schnaps oder Eis.
Küstenschutz:
Zur Landschaft der Wattenmeer-Region gehören die Deiche, Siele und Salzwiesen. Um sich gegen Überflutungen zu schützen, bauten die Menschen der Region schon vor Jahrhunderten Deiche, die heute bis zu neun Meter hoch sind. Denn überschüssiges Wasser hinter dem Deich musste in dem teilweise unter dem Meeresspiegel liegenden Region auch wieder hinaus befördert werden. Durch sogenannte Siele, die Deichschleusen, konnte die Entwässerung gesichert werden. So heißen viele Küstenorte heute auch Sielorte, wie z.B. Carolinensiel-Harlesiel. Insgesamt beträgt die Deichlinie in Niedersachsen (Hauptdeich-Linie) übrigens 610 Kilometer. Um auch die Deiche von der Seeseite gegen Sturmfluten zu schützen und Landgewinnung zu betreiben, wurden Lahnungen errichtet (Holzpflock-Hecken mit Strauchschnitt), die die Sedimentablagerung bei auflaufendem Wasser beschleunigen, welche wiederum die Bildung von Salzwiesen fördern, die schließlich als direkter Deich- und Küstenschutz sowie Rückzugsort für zahlreiche Tierarten fungieren. Hier wächst auch der Queller, eine spannende Pionierpflanze. Zusätzlich sind auch viele der 47.888 Schafe (Stand: 2020) für den Küstenschutz zuständig, denn sie pflegen und sichern die Deiche. Sie halten das Gras kurz, was für eine stabile Grasnarbe sorgt und Wühlmäuse vertreibt. Außerdem festigen sie den Deich mit ihren Hufen, wie eine Art Trippelwalze. Im Gegensatz zu Kühen oder Pferden entstehen dabei keine Löcher. Unsere Schafe sind kein Streichelzoo – sind aber von Frühling bis Herbst als natürliche Rasenmäher zu bestaunen.
Zuständigkeiten:
Die Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer zeigt sich zuständig für das Nationalpark-Management. Dazu gehören Naturschutz, Forschung, Öffentlichkeitsarbeit und nachhaltige Entwicklung. Ähnliche Institutionen gibt es auch in den Wattenmeer-Anrainer-Staaten Dänemark und der Niederlanden. Um die trilaterale Zusammenarbeit und Naturschutzbemühungen besser zu moderieren und koordinieren, gibt es das Gemeinsame Wattenmeersekretariat (CWSS), das in Wilhelmshaven ansässig ist.